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Ich bin der Baum auf dem Feld
mit tief hängenden Zweigen –
silberglänzend.
Ich bin der Grashalm zwischen den Gleisen,
die Eile des Zugs und der Räder,
die die Stille in zwei Stücke schneiden.
Ich bin der Wind auf dem See im Osten,
der das Wasser kräuselt
und sich am Waldrand im Nebel verirrt.
Ich bin der Regen,
der die Asphaltstrasse herunterrinnt,
der Gestank über der Stadt,
der die Asphaltstrasse herunterrinnt,
der Gestank über der Stadt,
nachmittags, wenn die Augusthitze
durch die Hinterhöfe kriecht.
Ich bin der Schritt des Vorübereilenden,
der Klang seiner Absätze
auf dem kahlen Bürgersteig,
das Echo in den Gassen.
Ich bin das zaghafte Licht der Straßenlaternen
kurz bevor der Mond aufgeht
und der Große Wagen vorfährt.
Sopot-Berlin, 29.8.15
Glück
Unter normalen Umständen
nicht gesellschaftsfähig
von den Alltäglichkeiten des Alltags
misstrauisch beäugt
bei den Lebenden wenig beachtet
in den meisten Fällen sogar unerkannt
(sein entfernter Verwandter
– der Unmut –
erfreute sich schon immer
einer viel größeren Aufmerksamkeit)
Und doch …
es lässt sich nicht so leicht abschütteln
Zwischen den Blättern des
Apfelbaums
vermischt es sich mit dem Saft
der Früchte, die ihre Rundheit
in unsere Hände legen
Es schlägt mit den Wellen ans
Ufer
an das sandige Hellgrau
wenn die Sonne von der eigenen Hitze taumelnd
untergeht und der Tag tief Atem holt
Manchmal platzt es – auf Bach‘schen
Noten reitend –
in unsere Zimmer
und macht sich tosend breit
dass die Augen schwitzen
Kinder und Hunde erkennen es
am schnellsten
spüren sofort den vertrauten Geruch
Krakau-Warschau, 3.1.1995
Frankfurt, 10.8.2014
Klezmer
Musik wie
ein Besuch bei fernen Verwandten – Orient,
aber irgendwie heimisch,
fast stubenwarm.
Der Klang der Klarinette wie
in endloses Gebet
derer, die nicht mehr da sind, die
noch immer da sind, weil sie so sehr
gehen mussten.
Frankfurt, 29.8.1996
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall
mit dem gesicht nach oben (für j.)
mit dem gesicht nach oben liegst du nachts
dort wo dich die erde zudeckt
mittags stehst du mit uns über dir
schaust in die stille des friedhofs
die an den bäumen lehnt
wenn wir wieder gehen
legst du die sonnenstrahlen auf unsere schultern
und auf den pfaden glitzern die blätter
abends die helle lampe über dem tisch –
wir schneiden brot auf
machen tee
mit dem gesicht nach oben
lächelst du
Frankfurt, 26.2.08
Übersetzung aus dem Polnischen